Wenn man sich mit dem Thema der digitalen Außenwerbung (kurz DooH) näher befasst, so kommt man um das Buzz-Word „Programmatic DooH“ nicht herum. Programmatic bezeichnet dabei allgemein den vollautomatischen Ein- und Verkauf von Werbeflächen in Echtzeit. Die Idee dahinter ist recht simpel, im übertragenen Sinn sollen die Methodiken des Online-Marketing auf die digitale Außenwerbung übertragen werden. So spannend dies klingt, als Marketer gibt es einige Dinge die man beachten sollte. Neben einem fehlenden Marktstandard ist hier insbesondere die Positionierung des Mediums an sich zu nennen. In folgendem Fachbeitrag soll aufzeigt werden, wo die Vor- und Nachteile von Programmatic DooH liegen, um im Anschluss ein entsprechenden Ausblick zu geben.
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DISCLAIMER
Der nachfolgende Fachbeitrag ist eine kritische Auseinandersetzung mit dem Thema Digital out-of-Home, insb. aber dem Thema Programmatic DooH. Aus unserer Sicht wird häufig nur auf die Vorteile des Mediums eingegangen, ohne aber die Nachteile zu beleuchten. Der Beitrag basiert im Wesentlichen auf grundsätzlichen Beobachtungen und Überlegungen.
INHALTSVERZEICHNIS
1. GRUNDSÄTZLICHES
Programmatic Digital Out-of-Home, kurz Programmatic DooH (PDooH), ist eine mögliche Erweiterung der digitalen Außenwerbung, welche selbst ein Upgrade der analogen Außenwerbung darstellt. Im Vergleich zur klassischen Außenwerbung bzw. der einfachen digitalen Außenwerbung können über die programmatische Schiene Inhalte deutlich flexibler ausgespielt und die jew. Zielgruppe selektiver angesprochen werden, Stichwort Targeting. Ähnlich zum programmatischen Ansatz in der Online-Welt kann die Darstellung offline an unterschiedliche Datenpunkte gekoppelt werden, wie bspw. den Ort, die Zeit oder das Wetter.
Trotzt aller Euphorie und der technischen Möglichkeiten sollte berücksichtigt werden, dass es sich bei PDooH auch um ein One-to-Many Medium handelt. D.h. im Vergleich zur analogen Plakatwerbung können Inhalte zwar deutlich dynamischer ausgespielt werden, jedoch ändert dies nichts daran, dass die Außenwerbung zwangsläufig ein Streumedium bleiben wird. Der wesentliche Unterschied zwischen beiden Ausprägungen liegt in der Wirkung. Während klassische Plakatwerbung am jew. Standort zu 100% sichtbar ist und so das Ziel eine möglichst hohen Bruttoreichweite erreicht werden kann, so kann die Zielgruppe über DooH-Kampagnen deutlich flexibler angesprochen werden. An dieser Stelle liegt auch die Krux, je selektiver die Ausspielung, desto geringe die Darstellungszeit, desto geringer die Bruttoreichweite. Hierbei wird oftmals außer Acht gelassen, dass der programmatische Ansatz dies tendenziell noch weiter verstärken wird.
Als Marketer ist es umso wichtiger, dass man sich hier Gedanken macht, da man zwangsläufig im Trade-Off zwischen dem Ziel Reichweite und einer selektiver Ansprache steht. Zwar kommen einem viele Netzwerkbetreiber entgegen und setzen die Bruttoreichweite des Werbeträgers mit der Reichweite des Inhalts gleich oder werben damit, dass Bewegtbild mehr Aufmerksamkeit generiert, faktische gesehen ist dies aber eine Milchmädchenrechnung. Wenn man sauber rechnet, so kann die klassische Außenwerbung nur bedingt mit der digitalen Variante verglichen werden (siehe Beispielrechnung).
Aus unserer Sicht hat DooH bzw. PDooH enormes Potenzial und eine klare Daseinsberechtigung. Um das Medium an sich besser verstehen und einordnen zu können, soll nachfolgend auf die Vor- und Nachteile eingegangen werden.
2. VORTEILE PROGRAMMATIC DOOH
Automatisierte Ausspielung
Über zentral angelegte SSPs (Supply-Side-Plattform) können Buchungen bzw. Ausspielungen weitestgehend automatisiert werden. Voraussetzung hierfür ist, das der jew. Standort an die jew. Plattform „angeschlossen“ ist.
Flexibilität
Ausgehend von der zentralisierten Organisation ergibt sich eine höhere Flexibilität. Zum einen können laufenden Kampagnen schnell aktualisiert werden. Zum anderen besteht die Möglichkeit diese von Grund her schon ganz anders zu planen. Je nach Funktionsumfang der jew. Plattform kann die Ausspielung der Inhalte an diverse Gegebenheiten gekoppelt werden, wie bspw. Ort, Zeit, Wetter, Zielgruppe oder sogar den Verkehr.
Responsiveness
In erweiterter Form können Inhalte in Echtzeit an die Umgebung angepasst werden. Je nach Ausgestaltung der jew. Kampagne, können Placeholder definiert werden, die je nach Ort, Zeit und Situation unterschiedlich befüllt werden.
User Context Fit
Ein wesentlicher Vorteil in der dynamischen Kundenansprache liegt in der gesteigerten Emotionalität bzw. Wirksamkeit. Anstatt diesen mit statischen Botschaften entegenzutreten kann die Zielgruppe persönlicher angesprochen und ggf. sogar in einer bestimmten Situation begleitet werden. Wo man sich früher auf einen Claim beschränken musste, so sind hier unzählige Ansprachen denkbar (siehe Digital Signage ContentGuide).
3. NACHTEILE PROGRAMMATIC DOOH
Kosten/ Preis
Wo es Vorteile gibt, sind auch Nachteile zu finden. Die Bereitstellung des Progammatic Feauture geht mit zusätzlich Kosten einher und ebd. werden meist in entsprechenden Buchungen mit durchgegeben. Wer die Zielgruppe selektiver ansprechen will, müsse ähnlich zur Online-Werbung mit einem Preisaufschlag leben. Die Höhe des Aufschlags hängt vom jew. Anbieter ab.
Priorisierung Sendeschleife
Einer der wesentlichen Nachteile des Progammatic Ansatz liegt im sog. „One-to-Many Konflikt„. Während bei einem One-to-One Medium die Ausspielung auf einen Nutzer zugeschnitten werden kann, so ist dies bei einem Streumedium komplizierter. Grundsätzlich stellt sich die Frage, welcher Inhalt wann ausgespielt werden soll, wenn mehrere Inhalte in Warteschleife stehen? Klar können technisch gesehen Vorfahrtsregeln definiert werden. Was ist aber, wenn mehrere Datenpunkte gleichzeitig erfüllt sind? Letztendlich teilen sich alle Inhalte ein und die selbe Werbefläche.
Brutto- vs. Nettoreichweite
Mit der selektiven Darstellung einhergehend (Wechselbild), sollte man zudem zwischen Brutto- und Nettoreichweite differenzieren. Die programmatische Ausspielung orientiert sich häufig an externen Datenpunkten, die nur bedingt das Geschehen vor Ort „live“ berücksichtigen. Über den Tag können bspw. 1.000 Leute an einem Screen vorbeikommen und nur 10 eine bestimmte Anzeige tatsächlich sehen. Die Wahrscheinlichkeit dass eine Anzeige gesehen wird, hängt maßgeblich von Turnus der Ausspielung ab. Durch eine programmatische Darstellung wird dies tendenziell noch weiter aufgefasert, da a) mehr Anzeigen im Loop hinterlegt werden können und b) die Auslieferung der Inhalte selektiver wird.
Fehlende Infrastruktur/ Standard
Ein weiterer Nachteil wenn es um das Programmatic Feature geht, ist die fehlende Infrastruktur in Kombination mit einem fehlenden Standard. Der Große Vorteil von DooH (individuelle Display-Lösungen an unterschiedlichen Touchpoints) ist bei einer zentralen Vermarktung ein großes Problem. Ausgehend von der beabsichtigen, selektiven Ausspielung muss per sé ein großes Portfolio vorgehalten werden, um bei entsprechender Selektion noch eine kritische Anzahl an Touchpoints liefern zu können. Aktuell sind viele Anbieter am Markt zu finden, die jeder für sich eine eigene Plattform aufbauen wollen, was damit einhergeht, dass in jedem Sub-Netz eigene Modalität gelten. Hier den Überblick zu wahren, ist nahezu unmöglich. In der Mittelfrist muss man sich auch die Frage stellen, ob man Unterschiedliches zwangsläufig angleichen muss?
4. AKTUELLE SITUATION
Während klassische Plakatwerbung primär dazu eingesetzt wird, um zu einem bestimmten Zeitpunkt eine möglichst hohe Reichweite zu erzielen, so ist die digitale Außenwerbung eher dazu geeignet, eine Vielzahl an Personen möglichst kontextbezogen zu informieren. An dieser Stelle sollte man aber den Denkfehler vermeiden, die Eigenschaften der analogen Variante 1:1 auf die digitale Version zu übersetzen. Während ooH ein klassisches Streumedium ist, so ist DooH vielmehr als Hybrid aus One-to-Many und One-to-One zu sehen. Die Erweiterung der DooH-Landschaft über den Programmatic-Ansatz, wird hier den Schwerpunkt zunehmend Richtung One-to-One verschieben, da hierdurch die Ausspielung per sé zunehmend „selektiver“ werden. Dies gilt insbesondere dann, wenn das Programmatic-Feature dazu verwendet wird die Ausspielung von Inhalten „standortübergreifend“ zu optimieren. An diesem Punkt wird zwangsläufig ein Konflikt entstehen, denn das Ziel einer möglichst großen Präsenz/ Reichweite steht dem einer individuellen Ansprache gegenüber. Je selektiver die Ausspielung, desto geringer wird die faktische Präsenz. Ausgehend von den grundlegenden Prinzipien am Markt, müsste mit reduzierter Leistung (hier die Bruttoreichweite) auch der Preis für die Ausspielung nach unten gehen. Tatsächlich ist es aber so, dass DooH-Werbeträger, insb. mit einer programmatischen Ausprägung effektiv teurer sind. Folgende Beispielrechnung soll dies veranschaulichen:
Beispielrechnung
Wenn ooH und DooH effektiv miteinander verglichen werden soll, so ist es wichtig, kritische Rahmenbedingungen zu fixieren und diese in den unterschiedlichen Eigenschaften miteinander zu vergleichen. Um die Diskrepanz zwischen ooH und DooH zu veranschaulichen, werden nachfolgend zwei entsprechende Werbeträger an ein und dem selben Touchpoint miteinander verglichen: 1 Plakat und 1 LED-Wall. Wichtig hier, bei der LED-Wall wird eine Ausstrahlung von 10 Sek. alle 60 Sek. angenommen. Die Bruttoreichweite wird hier, wie auch bei den meisten Anbieter, als Kontakt mit dem Werbeträger (nicht dem Inhalt) definiert. Die angegebenen Preise stützen sich auf ein fiktives Zahlenbeispiel und können ggf. geringer bzw. höher ausfallen. Die Beispielrechnung soll lediglich den Zusammenhang zwischen Aufmerksamkeit, Preis und Ausstrahlungshäufigkeit verdeutlichen.
Rahmenbedingungen
- Touchpoint: Ortseingang
- Frequenz: 30.000 Kontakte/ Woche
- Preis Plakat: 300,00€/ Woche (netto)
- Preis LED-Wall: 275,00€/ Woche (netto)
Ausgewiesener TKP
- Plakat: 30.000 Kontakte = 10,00€ (netto)
- LED-Wall: 30.000 Kontakte = 9,16€ (netto)
Effektive Bruttoreichweite
- Plakat: 30.000 Kontakte * 50% Aufmerksamkeit * 100% Ausstrahlung = 15.000 Kontakte
- LED-Wall: 30.000 Kontakte * 80% Aufmerksamkeit * 16,67% Ausstrahlung = 4.000 Kontakte
Effektiver TKP
- Plakat: 15.000 Kontakte = 20,00€ (netto)
- LED-Wall: 4.000 Kontakte = 68,75€ (netto)
5. IMPLIKATIONEN
Ausgehend von diesem Zahlenbeispiel stellt sich die Frage, was das Medium DooH bzw. Programmatic DooH im Marketing an Zusatznutzen liefert, wenn die Bruttoreichweite und der Werbedruck geringer, der faktische Preis mindestens so hoch wie in der anlogen Variante oder sogar aber höher liegt? Ohne entsprechenden Zusatznutzen muss man sich die Frage stellen, warum man bei dem Werbeziel „Präsenz“ nicht gleich auf klassische out-of-Home Werbeträger setzt? Über den programmatischen Ansatz wird zwar versucht, diesen Zusatznutzen in Form eines verbesserten Targetings zu bieten, das Problem der reduzierten Ausstrahlung wird hierdurch vermeintlich weiter verstärkt. Wenn man sich das ganze von Seiten der Nutzer betrachtet, so sieht es hier ebenfalls nicht besser aus. In Sachen Targeting, Interaktion und Zielgruppendynamik kommt man um die großen Plattformen wie Facebook, Instagram oder TikTok nur schwer herum. Denn, neben der Architektur der Plattformen sind vergleichbare Datenmengen in der anlogen Welt nur schwer vorzuhalten. Hinzu kommt, dass die großen Plattformen den Referenzpreis für eine programmatische Ausspielung festlegen. Mit einem effektiven TKP von annähernd 70 € ist man hier nur schwer wettbewerbsfähig. Viele Werbetreiber versuchen diesen Malus über die Angabe einer „errechneten“ bzw. „geschätzten“ Nettoreichweite zu kaschieren. Dies macht aber nur bedingt Sinn, da man im out-of-Home Bereich (Streumedium) die Rückverfolgung fehlt.
Beobachtungen
Zusammengefasst muss man sich die Frage stellen, wer in der jetzigen Ausprägung/ Umsetzung vom Feature Programmatic tatsächlich profitiert. Vermeintlich sind es doch die Inventar- bzw. die SSP-Betreiber, die auf formals limitierte Werbeträger noch mehr Inhalte einstellen können. Ohne Zusatznutzen darf der Preis für eine DooH-Kampagne nie höher als der eines vergleichbaren analogen Werbeträgers liegen. Das Argument der höheren Aufmerksamkeit bzw. eines selektiveren Targeting hinkt auch, da man im Vergleich zu den Online-Medien immer weniger Daten für eine selektive Ansprache haben wird. Hinzu kommt, dass man selbst hier in Sachen TKP nicht wettgewerbsfähig ist. Auch wenn die DooH-Werbeträger oftmals unausweichlich scheinen, ist es als Marketer wichtig, dies auch zu hinterfragen.
Ableitungen
Ausgehend von den genannten Kritikpunkten gibt es grundlegend zwei Richtungen ebd. zu korrigieren. Entweder muss der effektive TKP soweit reduziert werden, dass diese in Sachen Präsenz bzw. Targeting mit den jew. anderen Medien wettbewerbsfähig ist. Oder, es muss ein Zusatznutzen generiert werden, der den faktischen Preisaufschlag rechtfertigt. Im Idealfall geht die Optimierung in beide Richtungen.
- Reduktion effektiver TKP: Um den effektiven TKP abzusenken, könnten die Netzwerkbetreiber a) die Preise entsprechend reduzieren oder b) die Anzahl der Werbeträger am Touchpoint erhöhen. Das Problem hier, mehr Werbeträger erhöhen zwar faktisch die Wahrscheinlichkeit dass ebd. gesehen wird und damit einhergehend auch die Bruttoreichweite, tatsächlich erreicht man aber nicht mehr Leute, wenn man einen Inhalt öfters darstellt.
- Zusatznutzen: Ein Zusatznutzen den DooH liefern kann und den anderen Medien vermeintlich nicht haben, liegt in der kontextbezogenen Darstellung (siehe Vorteile). Über DooH-Werbung können die Leute überall da angesprochen werden, wo sie wiederkehrend vorbeikommen. Es ist generell bewiesen, dass die Anzahl der Touchpoints mit einem Unternehmen einen positiven Einfluss auf die Markenwahrnehmung haben kann. Je mehr die übermittelten Informationen zum Kontext passen, desto größer ist die Wirkung, Stichwort Responsiveness. Bspw. könnte man Online- und Offline-Kampagnen in der Form kombinieren, dass man die Reichweite der Online-Kampagne mittels DooH hebelt.
6. FAZIT
Final zusammengefasst muss sich die Frage stellen, ob tatsächlich überall ein Display installiert werden muss, wo ein solches installiert werden kann? Als Marketer sollte man nicht den Fehler machen und out-of-Home 1 zu 1 mit Digital out-of-Home gleichsetzen (siehe Beispielrechnung). Einen höheren Preis ohne Ausgleich bzw. Zusatznutzen zu zahlen, macht genauso viel Sinn wie Displays in jeder Ecke aufzuhängen, wo mind. 2 Leute vorbeikommen. Aus unserer Sicht wird der Programmatic-Ansatz die Konsolidierung im Markt vorantreiben und es werden sich nur die Werbeträger durchsetzen, die wortwörtlich gut positioniert sind. Per sé dazu geeignet die Darstellung am jew. Touchpoint zu optimieren, sollte sich die Vermarktung der jew. Werbeträger in eine ähnliche Richtung gehen (dynamische Markenkommunikation). Das Medium DooH bietet eine Reihe an Vorteilen, die andere Werbeträger nicht liefern können und das ist eine kontextbezogen Ausspielung. In der praktischen Nutzung gilt es sich auf ebd. zu konzentrieren und die oben genannten Fallstricke zu vermeiden.
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